Als Krochowski am Morgen seinen Kaffee trinkt, miaut es vor der Tür. Der dicke Kater von Michael Wildner möchte in die Küche. Er läuft umher, miaut klagend, schaut ins Wohnzimmer und hüpft dann eilig die Treppe ins Schlafzimmer hinauf. „Was hast Du, Katertier?“, ruft Krochowski ihm nach. Doch der Kater ist schon wieder auf dem Weg nach unten. Mit runden Pupillen schaut er starr in Krochowskis Gesicht und miaut noch einmal auf eine Art, wie sie Krochowski noch nie bei ihm gehört hat. Tief und seltsam. Dann läuft das Tier zur Tür und verschwindet im Unkraut zwischen den alten Autos.
In seiner Arbeitsmontur – blaue Latzhose, dicker Pulli, derbe Schuhe – macht Krochowski sich auf den Weg zur Arbeit. Uschi steht hinter der Küchengardine ihres Hauses und winkt mit der linken Hand. Die Rechte drückt sie sich über den Mund. Krochowski winkt zurück und fährt knatternd davon.
Im Institut, wie das Beerdigungsunternehmen etwas angeberisch von allen Angestellten genannt wird, ist Betrieb. Der alte Mercedes rollt gerade vom Hof, Herr Steinhauer telefoniert mit seinem Mobiltelefon und macht nebenher Notizen. „Ah, verstehe. Ja, wir haben auch Sondergrößen.“, hört Krochowski ihn sagen. Ein weißhaariger, untersetzter Mann in Arbeitskluft kommt um die Ecke und sagt: „Lieferung aus Dannenberg, gestern Nacht verstorben.“ Im Behandlungsraum brennt hell das Licht, der Metalltisch strahlt und glänzt.
Doch Krochowski ist heute in der kleinen Schreinerei eingeteilt, er soll lernen, wie man einen Sarg veredelt und mit Polsterung und Satinfutter versieht. Auch das richtige Schleifen und Lasieren sei wichtig, hat der Silberhaarige gewichtig erklärt. Krochowski geht als Erstes mal einen Kaffee holen und dann durch die Hintertür in die Werkstatt, wo schon Janko, ein freundlicher Kollege aus Polen, steht und lärmend an einem hellen Kiefernsarg herumschleift. Als Krochowski winkt und wedelt, und endlich bemerkt ihn Janko und nimmt seinen Gehörschutz ab. „Ah, pünktlich wie ein Maurer, komm rein, Chef!“ Sein Kollege erklärt ihm genau, welche Kanten an dem großen Werkstück noch gut abgestoßen werden müssen und welche Körnung er auf das Schleifgerät kletten muss. Erst grob, dann feiner, bis das Holz ganz glatt ist und sich anfühlt wie Seide. „Die Kanten mach ich, die müssen ganz gleichmäßig“, schnauft Janko. „Mach mal los, ich bin gleich wieder da.“ Und Krochowski setzt sich den gelben Gehörschutz, den man hier „Mickymäuse“ nennen auf die Ohren, legt das grobkörnige Schleifpapier auf und tut, wie ihm geheißen. Immer mit der Maserung, ein bisschen kreisen, nicht zu fest drücken, sonst gibt es Löcher. Er schleift und schleift, wechselt das Schleifpapier, macht weiter. Immer weicher wird das Holz, die kleinen, kurzen Fasern sind jetzt fast verschwunden. Der Holzstaub hat sich nach zwei Stunden in alle Falten gesetzt, hängt an Krochowskis Wimpern und klebt im verschwitzten Nacken. Sein Rücken tut weh, die Schultern sind verspannt, aber Janko schnalzt anerkennend mit der Zunge, als er den Sarg mit der Hand abfährt und von allen Seiten betrachtet. „Das klappt ja nicht schlecht“, freut er sich und schaut auf die Uhr. Gleich zwölf! Deine Schicht ist fast vorbei. Noch nen Kaffee? Krochowski nickt. Er hat Durst. Auf dem Weg zur Kaffeemaschine hören sie den Bestattungswagen in den Hof rollen. Der Verstorbene von gestern Nacht wird angeliefert.
Als Krochowski sich im Hof abklopft, wird der schlichte graue Kunststoffsarg gerade ausgeladen. Die Männer schnaufen, der Sarg ist schwer. Krochowski folgt ihnen in den Behandlungsraum und sein Herz klopft. Er kann sich nicht erinnern, wann er einen toten Menschen gesehen hat. Doch, seine Mutter. Aber einen Fremden? Er kommt sich pietätlos vor und möchte gern schnell das Geschäft verlassen. Doch Herr Steinhauer hält ihn auf: „Herr Krochowski, ich habe gehört, dass Sie heute gute Arbeit geleistet haben! Kommen Sie doch noch kurz rein, hier können Sie gleich etwas lernen!“ Krochowski tritt von einem Fuß auf den anderen. „Ich bin recht müde jetzt.“ Doch der Chef lässt nicht locker. „Kommen Sie, kommen Sie, es dauert nicht lang.“ Krochowski bleibt keine Wahl, der folgt seinem Chef in den Behandlungsraum, wo der Verstorbene bereits auf dem Tisch liegt. Er ist recht groß, sehr bleich und trägt ein Krankenhaushemd. An seinem Zeh hängt wirklich ein Zettel mit einer Nummer, wie im Film. Die Haare sehen seltsam lebendig aus an diesem toten Menschen, der einst der beste Nachbar war, sein Freund. Auf dem Tisch liegt Michael Wildner.