Am Freitag kommen zwei Frauen munter schwatzend ins Institut gelaufen. Eine von ihnen trägt eine große, durchsichtige Plastikkiste, in der Krochowski Tuben und Tiegel erkennt, dazu Watte und Tücher. Die beiden Frauen sind Barbara und Petra und sie sind gekommen, um eine neu eingelieferte Verstorbene „schick zu machen“, wie Barbara fröhlich verkündet.
Die beiden verschwinden in dem weiß gekachelten Raum mit dem großen Metalltisch und machen pietätvoll winkende Bewegungen, bevor sie die Tür fest verschließen. „Wir wollen die beiden nicht stören“, nickt Herr Steinhauer. Krochowski ist das sehr recht. Auch, wenn er nun schon ein paar Wochen als Sarg- und Urnenträger arbeitet und sich an die freundlich-aufgeräumte Stimmung im Institut gewöhnt hat, ist er scheu und ängstlich, wenn Tote in der Halle liegen. Zu schwer liegt der Anblick von Michael Wildner ihm im Magen und zu selten hat er bisher freiwillig zu Toten Kontakt gehabt. Die Schuld aus seinem alten Leben liegt schwer auf ihm und alle Toten wirken für Krochowski irgendwie vorwurfsvoll.
Mit Janko geht Krochowski in die Werkstatt, um einen Sarg für die Kundin vorzubereiten, die drinnen von Barbara und Petra schön gemacht wird. Sie befestigen Polsterung und weißen Satin in einem schönen, glänzenden Sarg. Die Kinder der Toten haben ihn gestern ausgesucht und irgendwie schien ihnen dieser letzte fürsorgliche Akt ein wenig Erleichterung zu verschaffen.
Als Krochowski in seiner Pause mit einem dampfenden Kaffee im Hof sitzt, gesellt sich Petra zu ihm, um ein „Schmäukchen“ zu machen, wie sie lächelnd erklärt. „Bist noch schüchtern, was Klaus?“, fragt Petra und schaut Krochowski mitfühlend an. „Musst keine Angst haben, wir sind ganz lieb mit den Toten“, sagt sie und pustet eine Rauchwolke in die Frühlingsluft. „Hast Du nicht manchmal Angst?“ fragt Krochowski zweifelnd. Petra schaut in den Himmel und denkt nach. Dann sagt sie: „Nein. Als ich ein Kind war, habe ich mal einen toten Schmetterling gefunden. Er war ganz leicht und als ich seine Flügel angefasst hab, ist der schöne Glitzer an meinen Fingern kleben geblieben. Ich hab ihn beerdigt und Gänseblümchen und schöne Steine auf sein Grab gelegt.“ Im Grunde, sagt Petra, seien die Menschen nach ihrem Tod auch so leicht und verletzlich wie Schmetterlinge. „Wir betten sie vorsichtig, wir pflegen sie, damit sie würdevoll bestattet werden können.“ Schmetterlinge? Krochowski muss an Michael Wildner denken und kann sich kaum vorstellen, dass er leicht wie ein Schmetterling geworden sein soll. Petra sieht sein zweifelndes Gesicht und lächelt. „Naja. Ist ein Bild mit den Schmetterlingen, weißt Du?“