Es ist Dienstag. Der Tag, an dem Krochowski einkaufen geht, denn dann, so hofft er, sind weniger Menschen im Discounter. Sie haben sich bereits am Montag die vom Wochenende leergefressenen Kühlschränke nachgefüllt. Deshalb geht Krochowski dienstags. Vor dem Haus wartet der rote Ford Fiesta auf seinen Herren, im Fond lagern leere Bierdosen und einige Plastiktüten. Das ist das Einkaufsbesteck.

Branden liegt nicht weit von Lüchow entfernt, hier gibt es alles: Discounter, Bank, Herrenfriseur.

Der alte Ford hustet und röhrt, Krochowski biegt auf den holperigen Sandweg vor seinem Haus ein und lenkt den Wagen am Sportplatz vorbei aus dem Dorf. Eine Einkaufsliste braucht er nicht. Dienstags isst er Leberkäse direkt aus der Aluform. Er wüsste nicht, was es besseres gäbe. Macht wenig Abwasch und schmeckt. Dazu ein kaltes Bier. Mittwochs Fertiglasagne, Donnerstag Pizza. Freitag irgendwas mit Kartoffeln. Am Wochenende geht er ins „Grüne Eck“. Die Bratkartoffeln sind passabel und die Zwiebelsuppe auch. Am Montag finden sich Reste im Kühlschrank und schon ist es wieder Dienstag und Krochowski kann seine Woche von vorn beginnen.

Der Weg nach Lüchow führt an Wiesen und Feldern vorbei. Erster Löwenzahn blüht knallgelb auf den Weiden, Krochowski wird ein bisschen beschwipst von der ganzen Fröhlichkeit. Vorbei an der alten Mühle und dem einsamen Haus, weiter unter den alten Eichen Richtung Stadt. Die Sonne scheint schräg durch die Autofenster und lässt die Staubkörnchen tanzen. Auf dem Radweg, der neben der Landstraße entlangführt, ist eine Gruppe Jugendlicher unterwegs. Krochowski sieht sie schon von weitem albern und lachen und Schlenker fahren. Ein leiser Ärger befällt ihn. Können die nicht anständig Fahrrad fahren wie jeder Mensch? Die Hampelei, das Kreischen machen ihn wütend. Und dann geschieht es: Ein Mädchen verliert die Kontrolle über sein Rad, saust über die Böschung in Richtung Straße, stürzt und fällt, die Arme hoch über dem Kopf, schlenkernd wie eine Puppe, auf den Asphalt. In Zeitlupe, so kommt es Krochowski vor, geschehen die Dinge: Das Schlingern des Rades, das Holpern über das Gras, der Sturz. Und wie in Zeitlupe greifen auch Krochowskis Hände das Lenkrad fester, sein rechter Fuß lässt quälend langsam das Gaspedal fahren und presst sich mit unfassbar unentschlossener Lahmheit auf das Bremspedal. Die kleinen Reifen des Fiestas quietschen dramatisch, der Wagen schlingert, bricht aus, fängt sich wieder und kommt dann zum Stehen. Das Mädchen ist nicht zu sehen. Krochowski sitzt im Auto und kann nicht aussteigen. Er ist zu schwach. Seine Arme hängen schlaff herunter, seine Augen starren auf die Straße.

Das Rad des Mädchens liegt mitten auf der Straße, eine Pedale dreht sich noch. Ein Wagen aus der Gegenrichtung hat gestoppt, eine Frau steigt aus, läuft über die Straße, bückt sich, redet. Und erst jetzt sieht er das Mädchen. Weinend betrachtet es die aufgeschürften Hände. Und da erwacht Krochowski. Er blinzelt, er seufzt. Und dann steigt er ächzend aus dem Wagen. „Das hätte auch schiefgehen können, Ihr verdammten Idioten!“ keift er in Richtung der Fahrradfahrer. Er fuchtelt und gestikuliert wütend mit den Armen. Das Mädchen und die Frau starren ihn an. Die Frau legt ihren Arm und das Kind und führt es von der Straße. Die Jugendlichen sehen ihn an, tuscheln, zeigen mit Fingern und beginnen schließlich zu lachen. Krochowski versteht nicht. Und dann sieht er an sich hinunter. Ein langgezogener Fleck dehnt sich vom Schritt das linke Bein hinunter aus. Krochowski hat sich eingenässt. Wortlos dreht er sich um, geht die paar Schritte zum Auto, setzt sich hinein und wendet. Nur nach Hause. Nach Hause.


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