Krochowski fährt durch den hellen, sonnigen Tag, vorbei an Supermarkt und Tankstelle, Wiesen und Feldern. Sein Kopf summt, in seinem Magen ist ein Knoten. Um einer Arbeit nachzugehen, hat er schon lange nicht mehr das Haus verlassen. Mit Menschen Dinge tun müssen, das war noch nie seine Welt. Als er die große Gefährtin fuhr, seine knallrote 189er Lok, da war er allein, und das war gut. Krochowski ist gern allein.

In Branden lenkt er seinen Ford an den klapprigen Staketenzaun und parkt auf dem Gras-Streifen an der Straße. Ächzend steigt er aus, die Tür des Wagens quietscht, als er sie zuschlägt. Mit schweren Schritten geht er auf sein Haus zu und während seine Hand nach dem Schlüssel in der Hosentasche kramt, macht er auf den Treppenstufen ein in Zeitung eingeschlagenes Paket aus. Krochowski bückt sich und schaut. Das Päckchen ist nicht schwer, er nimmt es an sich, schließt klappernd die Tür auf und geht in die Küche. Dort legt er das Paket auf den Küchentisch, hängt den Schlüssel an den Haken und füllt sich ein Glas Wasser am Spülstein. Gierig trinkt er, sein Mund ist trocken nach all der Aufregung. Dann geht er zum Küchentisch und blickt versonnen auf das Päckchen. Er reißt das Papier auf und sieht hinein: Es sind Radieschen, noch sandig und mit fleischigen, stacheligen Blättern daran. Die Erde rieselt raschelnd auf den Küchentisch. Krochowski lächelt. Michael Wildner hat ihm die erste Ernte vorbeigebracht. In seinem Garten wachsen Möhren und Radieschen, Erdbeeren und Kartoffeln. Die kleinen roten Kugeln sind die Ersten, die im Frühling aus der Erde schauen. Krochowski holt Butter und Brot, ein Holzbrett und eine Dose Bier. Er bestreicht das Brot mit Butter und belegt es mit Radieschenscheiben. Als er das Salz darauf streut, beginnen die Scheiben sofort zu schwitzen, sie bilden kleine, runde Wasserperlen. Krochowski beißt ein Stück ab und kaut. Der Geschmack von Butter und Brot und scharfem Rettich mischen sich in seinem Mund. Es schmeckt gut. Nach Frühling. Er spült sein Mahl mit einem Schluck Bier hinunter und lehnt sich zurück. Das Essen tröstet und er spürt, wie er sich beruhigt.

Während Krochowski isst, streicht er mit seinen Hände über die sandigen Zeitungsblätter. Er beginnt, ein wenig zu lesen. Ein Motorradfahrer wurde ohne Führerschein erwischt. Der Bürgermeister hat einen Kindergarten eröffnet. Die Fußballmannschaft hat haushoch gewonnen. Krochowski nickt. Von Michael Wildner hat er gehört, dass die Brandener gut spielen. Er blättert um, schaut weiter. Links unten auf der Seite zwei Anzeigen. Eine Bürokraft wird gesucht und dann fällt ihm ein Wort ins Auge, dass er noch nie gelesen hat: „Urnenträger.“ Krochowski verlagert das Gewicht auf dem Stuhl und beugt sich vor. „Wir, die Firma Steinhauer und Berger, sind ein Familienunternehmen“. liest Krochowski. „Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir Sarg- und Urnenträger.“ Dass eine Beerdigung eine bedeutende und wichtige Angelegenheit sei, liest Krochowski noch und dass ein Sarg- und Urnenträger dazu beitrage, dass dieses Ereignis würdevoll und individuell geschehen könne.

Krochowski legt seine Hand auf das Papier und schaut an die Wand. Urnenträger. Er stellt sich einen schwarzen Anzug vor, weiße Handschuhe. Stille. Ruhe. Vielleicht leises Weinen. Er sieht einen Sarg, eine grüne Wiese, ein rechteckiges Loch.

Krochowski beißt in sein Radieschenbrot, es schmeckt ihm gut. Das Bier ist schön kalt und perlt in seinem Mund. Er schiebt die Zeitung beiseite, der Sand hat eine kleine Düne neben der Mahlzeit gebildet.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert