Krochowski sitzt in der Küche und beobachtet eine Fliege, die immer wieder gegen das schmutzige Fenster knallt. Ihr schillernder Körper ist fett, wahrscheinlich ist sie voll mit Fliegeneiern. Krochowski kann sich nicht entschließen, die Fliege zu erschlagen. Wenn er es tut, werden die Eier aus dem Fliegenleib spritzen. Wenn er es nicht tut, wird die Fliege weiter die Stille des Nachmittags mit ihrem Summen zerstören. Krochowski kann sich nicht entscheiden. Er sitzt am Küchentisch und stützt die Hände in den Kopf. Seine Finger vergräbt er im schütteren graublonden Lockenhaar.

Draußen im Garten, hinter dem der Wald mit seinen Moosen und Kiefern und illegalen Müllkippen beginnt, überschlägt sich der Frühling. Der Himmel ist knallblau, und eine entnervende Lebensfreude hat sich aller Lebewesen bemächtigt. Die Vögel krakeelen wie besoffen. Krochowski ist immun. Er sitzt in seiner Küche und hasst die Fliege.

Die Sonne steht am Frühlingshimmel. Sie scheint auf das Dorf Branden mit seiner Neubausiedlung und seinen alten Bauernhäusern. Sie scheint auf die mächtige Dorfeiche, auf den Sportplatz und auf das Haus von Klaus Krochowski, das zwischen zwei ausgeschlachteten Rovern und einer Bretterbude am Rande des Dorfes steht. Ein Dach aus Eternitplatten schützt das Aussiedlerhäuschen aus Backsteinen. Unter Löchern in der Regenrinne haben sich Streifen aus Moos gebildet, die alten Fenster sind blind und grau und blicken wie trübe Augen gelangweilt in die Welt. Das Haus ist ein altes Weib, das niemanden hat.

Drinnen in der Küche steht Krochowski auf und schlurft zur Spüle. Er nimmt ein speckiges Glas, füllt es mit Wasser aus dem Hahn und trinkt. Er setzt das Glas ab, lässt die Hand sinken und schaut an die Wand. Seine schlaksige Gestalt lehnt am Spülstein. Sekundenlang blickt er auf die Grenze zwischen Putz und Fliesen, auf der sich eine dicke Mischung aus Fett und Staub gesammelt hat. Die Fliege hat ihren Kamikazeflug aufgegeben. Sie sitzt auf der Hängelampe über dem Küchentisch und wischt sich mit den Hinterbeinen über die glitzernden Flügel. Das Scheißvieh.

Seit Klaus Krochowski hier vor zehn Jahren gestrandet ist, steht sein Leben still.  Nichts ist seither geschehen. Tag reiht sich an Tag, und wenn Krochowski am Morgen aufwacht, dann erwartet er nichts. Er existiert. Krochowski isst und trinkt und spült das Geschirr. Er könnte einfach im Bett liegen bleiben und warten, dass die Zeit vergeht. Doch Krochowski ist streng zu sich, er macht weiter. Jeden Tag. Am Morgen schlägt er die grauen Laken zur Seite und setzt die Füße auf den Bettvorleger. Er streift Hemd und Hose über, geht die schmale, knarrende Treppe ins Erdgeschoss und kocht sich einen Kaffee. Jeden Morgen, jeden verdammten Tag.


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